Niederösterreich ist bekanntlich das mit Abstand bedeutendste Bundesland in puncto Erdäpfelproduktion. Im heurigen Jahr entfallen satte 78 Prozent der gesamten Anbaufläche auf das Land unter der Enns. Dementsprechend führen die Bauern hierzulande auch stets die Statistiken bei der Produktion an, gleich ob bei Früh-, Speise- oder Stärkekartoffeln.
Damit Erträge und Qualitäten stimmen, bedarf es einer sorgsamen Kulturführung. Die dazu benötigten Pflanzenschutzmittel werden aber zunehmend zur Mangelware. „Im Insektizidbereich reichen Hersteller Neuentwicklungen in Europa gar nicht mehr ein, weil die Auflagen so umfassend sind“, moniert Anita Kamptner, Erdäpfelbauberaterin der LK Niederösterreich.
Im Insektizidbereich reichen Hersteller Neuentwicklungen in Europa gar nicht mehr ein.
Anita Kamptner
Zugleich laufen die befristeten Zulassungen der bestehenden Wirkstoffe zusehends aus. Um dem wachsenden Schädlingsdruck, etwa durch Drahtwurm oder Erdäpfelkäfer, dennoch Herr zu werden, bedarf es verstärkter Aufmerksamkeit. Kamptner: „Resistenzmanagement ist das Gebot der Stunde. Nur so können wir die Wirkungsmechanismen der wenigen noch vorhandenen Mittel möglichst lange erhalten.“
Jungbauern gehen in die Offensive
Die Problematik ist auch in der Agrarpolitik omnipräsent. Der Niederösterreichische Bauernbund macht sich seit Jahren in Brüssel und Wien für „einen vollen Werkzeugkoffer für die Landwirtschaft“ stark.
Unser Problem ist, dass die Zulassung neuer Mittel kompliziert und bürokratisch ist.
Viktoria Hutter
Zuletzt setzte sich auch Bauernbund-Jugendsprecherin Viktoria Hutter für eine Trendumkehr ein: „Es kann nicht sein, dass Mittel ersatzlos aus dem Verkehr gezogen werden.“ Moderner, effektiver Pflanzenschutz sei gerade für die junge Generation ein Muss. „Unser Problem ist, dass die Zulassung neuer Mittel kompliziert und bürokratisch ist“, brachte es Hutter im August auf den Punkt. Dieser Tage läuft deshalb eine Informationskampagne der Jungbauernschaft an, die nochmals auf die Dringlichkeit der Problematik hinweist. „Gerade für uns junge Bäuerinnen und Bauern braucht es bessere Perspektiven, um unsere Flächen wirksam zu schützen und Betriebe wirtschaftlich zu führen“, so deren Kernbotschaft.
In den heimischen Erdäpfeläckern herrschte beziehungsweise herrscht jedenfalls auch heuer ein entsprechender Druck bei Drahtwurm und Erdäpfelkäfer. „Der Drahtwurm ist immer da. Die Frage ist bloß, in welchem Ausmaß“, weiß Franz Wanzenböck, Obmann der IG Erdäpfelbau.
Der Drahtwurm ist immer da. Die Frage ist bloß, in welchem Ausmaß.
Franz Wanzenböck
Auch die Erdäpfelkäferbekämpfung gestaltete sich seit dem Wegfall der Neonicotinoide herausfordernd. „Je nach Befallsdruck sind mittlerweile zwei oder drei Überfahrten nötig“, so Kamptner. Wie sehr die Schädlinge heuer die Qualitäten beeinflussen, sei vorerst aber noch nicht abzuschätzen. Insgesamt rechnen die Erdäpfelbauern mit durchschnittlichen bis guten Erträgen, wiewohl die Regenfälle im Juli mancherorts zu spät kamen. Davon profitieren konnten zumindest die Stärkeerdäpfel. Für eine seriöse (Zwischen-)Bilanz sei es aber noch zu früh.
Reichliches Angebot drückt den Preis
Fix ist jedenfalls, dass die hiesigen Anbauflächen heuer nach Jahren des Rückgangs wieder ausgeweitet wurden. Laut Marktbericht der LK Niederösterreich aus der Vorwoche ist der Handel dieser Tage entsprechend reichlich mit Früh- und Anschlusssorten versorgt. „Die Vermarkter können aus dem Vollen schöpfen“, urteilen die Marktexperten. Für die Bauern bedeutet das – trotz stetiger Nachfrage des Lebensmitteleinzelhandels – Druck auf die Erzeugerpreise. In Niederösterreich wurden für mittelfallende Ware zu Beginn der Vorwoche bis zu 20 Euro per 100 Kilogramm bezahlt. Abzüge für Zwischenlagerung und höhere Logistikaufwände würden den Analysten zufolge allerdings derzeit zur Regel. IG-Obmann Wanzenböck rechnet daher mit zunehmender Anspannung in der Branche, insbesondere bei Speiseindustrieware. Ob sich die Prognosen bewahrheiten, werde sich allerdings erst gegen Ende der Saison zeigen: „Es kann sich noch einiges ändern“, ist er überzeugt und will von einer Überversorgung des Marktes noch nichts wissen.