Ambrosia

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Invasive Neophyten im Vormarsch

Pannatura hat zu einer Diskussionsveranstaltung zu eingeschleppten oder importierten Pflanzen geladen. Dabei und im Austausch mit Vortragenden hat sich gezeigt: Es gibt keine einfachen Lösungen.

Unter Neophyten werden Pflanzen verstanden, die nach 1492 durch menschlichen Einfluss in ein Gebiet gelangt sind, in dem sie zuvor nicht heimisch waren. Laut der Webseite neobiota-austria.at wurden in Österreich bislang rund 1.300 dieser neuen Pflanzen nachgewiesen. Dies soll einem Anteil von etwa 30 Prozent an der Gesamtflora entsprechen.

Wichtige Nutzpflanzen sind Neophyten

Der Import von Zier- oder Nutzpflanzen stellt den wichtigsten Einführungsweg für Neophyten dar. Der Rest wurde unbeabsichtigt eingeschleppt. Einige haben sich bei uns fest etabliert und sind weder aus dem Speiseplan noch aus der Fruchtfolge wegzudenken. Die bekanntesten Beispiele sind Kartoffel, Mais und Tomate. Andere wiederum stören Ökosysteme, breiten sich schnell aus und belasten die heimische Land- und Forstwirtschaft, die Menschen durch Allergene oder andere problematische Stoffe und zerstören Bauten. In diesem Zusammenhang spricht man auch von invasiven Neophyten.

Alle müssen mitmachen

Wie die Naturschutzorganisation NABU berichtet, wurde die EU-Liste invasiver gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten heuer von 88 auf 114 Arten erweitert. Bereits von der alten kleineren Liste sollen 32 in Österreich vorkommen, davon 16 Pflanzen. Die EU-Verordnung bildet zusammen mit Vorschriften auf Bundes- und Landesebene den rechtlichen Rahmen zum Umgang mit den Eindringlingen.

„Ihre Bekämpfung bedarf eines intensiven Zusammenschlusses aller Beteiligten aus Landwirtschaft, Politik, Gemeinden und Straßenwesen“, weiß Rea Maria Hall von der Universität für Bodenkultur. „Wir wissen, was die Pflanzen können – im Sinne von Biologie, Anpassung, Resistenz –, und wir wissen, wie sie sich ausbreiten. Wir wissen auch in vielen Fällen, wie man sie gezielt bekämpfen kann, etwa Staudenknöterich per Impfung.“ Diese Maßnahme wird laut AGES aber dadurch erschwert, dass in vielen Lebensräumen (z. B. entlang von Flüssen) der Einsatz von Glyphosat nicht möglich ist (keine Zulassung). Wichtig, so Hall, seien lokal angepasste Förderprogramme (auch im Hinblick auf Biodiversitätsmaßnahmen), Maßnahmenkataloge, aber auch Aufklärung und Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung.

„Wir greifen das Thema Neophyten seit vielen Jahren proaktiv auf, indem wir schauen, was ist möglich, was macht Sinn, wo kann man entgegenhalten. Aber es muss auch die Frage erlaubt sein, ob dieser vermeintliche Kampfauftrag, der einem als Grundeigentümer oft umgehängt wird, vielleicht längst verloren ist?“, so Matthias Grün, Vorsitzender des Vorstandes der Esterhazy Betriebe AG, bei der Podiumsdiskussion. Er warnt vor unrealistischen Erwartungshaltungen. Grün: „Wir werden mit der einen oder anderen Pflanze leben müssen und Mittel und Wege finden, damit zurechtzukommen.“ 

Ambrosia: Größte Gefahr in der Landwirtschaft

Doch welcher stellt die größte Bedrohung für Österreich dar? „Betrachtet man die Landwirtschaft und Folgekosten im Gesundheitswesen, ist Ambrosia der wirtschaftlich wichtigste Neophyt“, so Hall. „Neben massiven Ertragseinbußen in Sommerungen wie Sojabohne, Kürbis oder Kartoffel ist der Ambrosia-Pollen das bislang stärkste bekannte Pflanzenallergen, weshalb die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten enorm sind.“ Mittlerweile seien rund ein Drittel der Österreicher von Ambrosia-Allergien betroffen, die durchschnittliche Kostenbelastung beziffert die Boku-Expertin mit 1.300 Euro pro Person. Enthalten sind darin Versorgungskosten, Krankenstandsausfälle und körperliche Beeinträchtigung.

40.000 Samen pro Pflanze

Die Pflanze, auch bekannt als Ragweed oder Traubenkraut, ist überaus tolerant gegenüber verschiedensten Umweltfaktoren (Trockenheit, Nährstoffarmut, Hitze, Salz, viele Herbizide). Infolgedessen findet man sie mittlerweile überall – entlang von Straßen, auf Ackerflächen, auf Schotterplätzen, Parkplätzen, entlang von Bahngleisen, Schutthalden und auf Rübenplätzen. „Hinzu kommt, dass eine Pflanze 40.000 Samen produzieren kann, die bis zu 40 Jahre keimfähig im Boden überdauern können. Mit landwirtschaftlichen Maschinen, Pflegemaschinen, Autoreifen oder Abflusswasser nach Regen werden sie einfach weiterverbreitet“, erklärt Hall.

Eine gezielte Bekämpfung von Ambrosia ist derzeit nur am Acker möglich. Da die Pflanze sehr rasch Herbizidresistenzen aufbaut – gegen Glyphosat etwa binnen fünf Jahren –, empfiehlt Hall eine Kombination aus chemischer und mechanischer Bekämpfung. Eine Herbizidbehandlung sei nur bis zum Zweiblattstadium des Unkrauts sinnvoll, da die Pflanze sehr rasch ein festes Stängelgewebe aufbaue. Auch Fruchtfolge könne kurzfristig helfen: „Ambrosia mag keine Konkurrenz und ist wärmeliebend, weshalb sie vor allem Sommerungen mit weiten Reihenabständen wie Soja, Kürbis, Kartoffel oder Sonnenblume bevorzugt.“ Gegen Getreide und Raps im Winteranbau komme sie nicht durch, jedoch komme es immer wieder zu einem Massenauflaufen von Ambrosia nach der Ernte. Wichtig sei daher auf potenziellen Problemflächen eine sorgfältige Stoppelbearbeitung nach der Ernte der Winterungen.

Götterbaum bedroht Forst am meisten

Auch im Wald gibt es invasive Neopyhten. „Besonders problematisch ist Ailanthus altissima, der Götterbaum, da er bereits weit verbreitet ist und sowohl durch seine enorme Konkurrenzkraft als auch durch chemische Einflüsse
die Verjüngung heimischer Baumarten massiv behindert. Betroffen sind insbesondere Eichenwälder und Auwälder, wo die Konkurrenz um Ressourcen – Licht, Wasser, Nährstoffe – den Nachwuchs heimischer Arten verdrängt“, erklärt Katharina Lapin vom Bundesforschungszentrum für Wald. Auch andere Arten wie Staudenknöterich, Drüsiges Springkraut oder Riesen-Bärenklau würden eine Gefahr für Waldökosysteme darstellen. 

Das Hauptproblem bei invasiven Neophyten ist laut Lapin ihre schwierige bis unmögliche vollständige Bekämpfung. Entscheidend seien artspezifische Maßnahmen: Beim Götterbaum habe sich etwa eine gezielte Injektion mit pilzlichen Krankheitserregern der Gattung Verticillium als Erfolg versprechend gezeigt. Bei anderen Arten sei ein wiederholtes mechanisches Entfernen (Mähen, Ausreißen) notwendig, „jedoch meist nicht dauerhaft wirksam“. Der Einsatz von chemischen Bekämpfungsmitteln sei im Wald verboten.

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Der Götterbaum kann die Verjüngung heimischer Baumarten massiv behindern.

Robinie: Ein besonderer Baum

Wälder im Sinne des Forstge-setzes sind mit Holzgewächsen bestockte Grundflächen mit bestimmten Abmessungen. Unter den im Anhang des Gesetzes gelisteten Holzgewächsen sind auch fremdländische Arten, etwa die Robinie (Robinia pseudacacia). Letztere reichert den Standort mit Stickstoff an – was die Nährstoffversorgung auch für andere Pflanzen ändert –, ist aber auch salz- und immissionstolerant und kommt mit Hitze oder Trockenheit gut zurecht. Der Naturschutzbund hat die anspruchslose und schnell wachsende Art, die auf Fällung mit starkem Stockausschlag reagiert, zum Neophyten des Jahres 2020 ernannt.

Klimawandel und Neophyten

Die Ausbreitung der invasiven Neophyten unterliegt einem steten Wandel. „Es ist davon auszugehen, dass wir künftig mit neuen Arten leben müssen, die sich im veränderten Klima stärker ausbreiten“, sagt Katharina Lapin vom Bundes- forschungszentrum für Wald. Als Beispiel nennt sie die Rio-Dreimasterblume, die bisher vor allem als Zimmerpflanze bekannt war, „aber als möglicher zukünftiger Kandidat für unsere Wälder gilt“.

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