Mann sitzt mit verschränkten Armen und wird von einer Frau getröstet

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Studie zeigt: Nicht nur der Hof braucht Pflege

Jeder dritte Landwirt in Österreich wünscht sich Unterstützung für das psychische Wohlbefinden.

Die eigene Betrieb ist nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern auch Existenz und oft seit mehreren Generationen das Zuhause der Familie. Ein starker Bezug zum Hof, dessen Kehrseite sich zeigt: Viele Landwirtinnen und Landwirte leiden unter psychischer Belastung. Zeitdruck, fehlende Wertschätzung und die ständige Verantwortung für Tiere und Flächen setzen den Menschen am Hof zu. Das bestätigt nun eine aktuelle Studie der Donau-Universität Krems.

Jeder dritte Befragte wünscht sich Unterstützung im Bereich mentaler Gesundheit, tatsächlich erhalten jedoch nur 14 Prozent Hilfe. „Schon ein paar freie Tage im Jahr oder eine Gesundheitswoche würden helfen, aber es scheitert an Geld, Zeit oder Ersatzarbeitskräften“, schilderte eine Teilnehmerin in der Befragung.

Ein Drittel wünscht sich Hilfe

2006 Landwirt:innen aus ganz Österreich nahmen an der Befragung teil. Das Ergebnis: 31,6 Prozent wünschen sich Unterstützung, um ihr seelisches Wohlbefinden zu verbessern. Besonders auffällig: Wer Unterstützung möchte, zeigt deutlich höhere Werte bei Depression, Angst, Schlafstörungen und Stress. Fast jeder Zweite in dieser Gruppe weist Symptome von Depression oder Angst auf.

Dass psychische Gesundheit längst ein Thema ist, erleben auch Ines Jernej, Projektleiterin von Lebensqualität Bauernhof, und die psychosoziale Beraterin Barbara Plattner-Huss. In der Beratungspraxis stoßen sie auf eine breite Palette von Problemen – vom Generationskonflikt, Hofübergaben über Partnerschaftsthemen bis hin zu Suchtbelastungen.

Bei Landwirtinnen und Landwirten muss der Leidensdruck schon hoch sein, um zum Telefonhörer zu greifen oder auch zum Hausarzt zu gehen und sagen, ich schaffe es nicht mehr.

Barbara Plattner-Huss

Psychosoziale Beraterin, Lebensqualität Bauernhof

Praktische Hilfe wichtig

Besonders häufig genannt wurde in den offenen Antworten nicht allein psychologische Betreuung, sondern praktische Entlastung: Coaching für Betriebsführung, Unterstützung bei Hof- oder Hausarbeit, Vertretung im Krankheitsfall, weniger bürokratische Hürden. Viele Landwirtinnen und Landwirte wünschen sich auch finanzielle Sicherheit – faire Preise und stabilere Rahmenbedingungen – als Basis für mehr Lebensqualität.

Freizeit und Erholung stehen ebenfalls weit oben auf der Wunschliste. „Schon ein paar freie Tage im Jahr oder eine Gesundheitswoche würden helfen, aber es gibt keine Helfer“, heißt es von einem Teilnehmer der Studie.

Ein entscheidender Baustein in Österreich ist die soziale Betriebshilfe, die bei längerer Krankheit, Unfall oder Reha einspringt. Anspruch besteht etwa nach zwei Tagen Spitalsaufenthalt oder ab 15 Tagen Arbeitsunfähigkeit. Ersatzarbeitskräfte werden über den Maschinenring vermittelt, der auch bei Antragstellung unterstützt. Finanziert wird die Hilfe zu rund 80 Prozent aus öffentlichen Mitteln, der Eigenanteil liegt bei etwa 20 Prozent. In der Regel ist die Leistung auf sechs Monate begrenzt, in besonderen Fällen – etwa nach dem Tod eines Betriebsführers – auch länger. Ergänzend stehen Dorfhelferinnen oder landwirtschaftliche Zivildiener zur Verfügung.

Solche Strukturen sind wichtig, weil sie Entlastung ermöglichen, wenn der Mensch am Hof einmal ausfällt. Aber entscheidend ist, dass sie auch rechtzeitig in Anspruch genommen werden.

Ines Jernej

Projektleiterin, Lebensqualität Bauernhof

Die Hürden, Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen, liegen oft weniger an fehlenden Strukturen als an Zeitmangel, finanziellen Sorgen und traditionellen Rollenbildern. „Der erste Schritt zum Telefonhörer ist für viele der schwierigste“, betont Jernej.

Offen reden, Hilfe holen

Ein unverbindliches und anonymes Gespräch ist über das bäuerliche Sorgentelefon möglich: 0810/676 810 Von Montag bis Freitag von 08:30-12:30 (ausgenommen an gesetzlichen Feiertagen) erreichbar und zum reduzierten Tarif von ca. € 1,30/pro Stunde.

Frauen sprechen Probleme eher an

Frauen am Hof äußern laut Studie häufiger konkrete Unterstützungswünsche und nehmen eher Hilfe in Anspruch. Bei Männern wirken traditionelle Rollenbilder und die Vorstellung, „stark sein zu müssen“, oft als Hürde. So auch die Erfahrung von Plattner-Huss: Der Erstkontakt wird meistens über die Frau hergestellt. Männer seihen anfangs zurückhaltender würden aber in den Gesprächen meist gut mitarbeiten. „Meistens ruft die Frau an. Der Mann kommt in 90 Prozent der Fälle aber zum Gespräch mit", betont die Beraterin. Sie seien anfangs zurückhaltender, würden aber in den Gesprächen meist gut mitarbeiten. Für Jernej ist das ein Zeichen, dass psychische Gesundheit in der Landwirtschaft langsam gesellschaftsfähiger wird. „Es ist mittlerweile nicht mehr so schambehaftet, sondern wird normalisiert, wie bei jeder anderen Erkrankung.“ Vor allem die jüngere Generation sei offener für das Thema.

Was es jetzt braucht

Die Studienautoren fordern ein Bündel an Maßnahmen: finanzielle Stabilität sichern, Bürokratie abbauen, praktische Entlastung organisieren und gleichzeitig psychologische Unterstützung leichter zugänglich machen.

Auch Lebensqualität Bauernhof setzt hier an und rückt das Thema Prävention stärker in den Vordergrund. Mit Workshops an landwirtschaftlichen Fachschulen, Podcasts, Social-Media-Beiträgen und niederschwelligen Angeboten soll Bewusstsein geschaffen und Hemmschwellen abgebaut werden.

Eines zeigt sich deutlich: Damit Bäuerinnen und Bauern nicht auf der Strecke bleiben, braucht es neben struktureller Unterstützung vor allem die Bereitschaft, über die Probleme zu sprechen. „Am wichtigsten ist, dass Betroffene wissen: Sie sind nicht allein. Und dass es normal ist, sich Hilfe zu holen“, so Jernej.

Podcast

Mit dem Podcast „Dem Leben hörbar Qualität geben“ macht das Projekt Lebensqualität Bauernhof Themen rund um psychische Gesundheit in der Landwirtschaft hörbar. Experten und Betroffene sprechen über ihre Herausforderungen und wie sie diese meistern konnten. https://open.spotify.com/show/4s8NcQ0IiK0LO5EA29G73Y

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